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      Eine Ausstellung im Martinushaus zeigt, wie Kinder sich den Tod vorstellen

      Tote essen auch Nutella ...

      Vom Grab aus telefonieren? Im Sarg fernsehen? Für Kinder kein Problem! Seit vielen Jahren spricht die Theologin Martina Plieth mit Kindern über Sterben, Tod und Trauer. Die Bilder, die dabei entstanden sind, sind jetzt im Aschaffenburger Martinushaus zu sehen.

      Fast täglich begegnet Nicole Kespe Eltern, die nicht wissen, wie sie ihr Kind ins Sterben eines Familienmitglieds integrieren sollen. „Viele schweigen Tod und Trauer einfach tot – und glauben so ihr Kind zu schützen“, sagt die Koordinatorin der Hospizgruppe Aschaffenburg, die mit 160 Ehrenamtlichen eine der größten in Bayern ist. In Wirklichkeit bewirke Sprachlosigkeit aber oft das Gegenteil und behindere die Trauer. Als Kespe vor zwei Jahren einen Vortrag von Professor Dr. Martina Plieth über Kinderbilder zum Thema Tod hörte, war sie sofort beeindruckt von der Unbefangenheit und Tiefe der Bilder, und wollte die zugehörige Ausstellung nach Aschaffenburg holen. Sie nahm Kontakt mit dem Ambulanten Kinder- und Jugendhospizdienst Aschaffenburg auf und rannte bei Koordinatorin Silke Horstkotte offene Türen ein. Gemeinsam mit einem Team rund 50 Ehrenamtlicher begleitet sie schwer kranke Kinder und weiß deshalb, wie wichtig es ist, das Tabu zu brechen und über den Tod zu reden, statt zu schweigen. Konzipiert wurde die Ausstellung von Martina Plieth, Professorin für Gemeindepädagogik und Kirchliche Bildungsarbeit an der Evangelischen Hochschule Nürnberg. Im Rahmen ihrer Habilitation hat sie über fünf Jahre hinweg mit Kindern im Vor- und Grundschulalter über Tod und Trauer nachgedacht. Beim Malen eigener „Todes-Bilder“ seien „eindrückliche Ausdrucksgebilde“ entstanden, so Plieth. Wichtig sei vor allem, die Kinder ernst zu nehmen, sich wahrhaftig mit ihnen über das Thema Tod auszutauschen und ihre Hoffnungskräfte zu stärken. Sie selbst habe dabei viel von den Kindern gelernt und sei „aus manchen einengenden, ausschließlich vernunftorientierten Denkweisen und Meinungen herausgewachsen“ und „wieder näher an Vertrauen, Hoffnung und Zuversicht herangekommen“.

      Merkwürdig – nur auf den ersten Blick

      Der auf den ersten Blick merkwürdige Titel „Tote essen auch Nutella“ lehnt sich an die kindliche Vorstellung von Toten als „verdünnten Persönlichkeitsresten“ an, also Lebewesen, die noch ein bisschen Restleben in sich haben und deshalb auch Nutella essen (aber eben nicht so viel) oder im Sarg fernsehen (aber eben nicht so lange). Diese Vorstellung kommt auch im Bild von Jan zum Ausdruck, der dem Verstorbenen eine Nackenrolle mitgibt, weil es im harten Sarg schnell ungemütlich wird.

      Im Foyer des Martinushauses, das Rektorin Dr. Ursula Silber gerne zur Verfügung gestellt hat, sind die Bilder in sieben Kategorien gegliedert. Tafeln mit erklärenden Texten und Original-Zitaten erleichtern den Zugang zur kindlichen Vorstellungswelt. Den Anfang machen „Symbole der Vergänglichkeit“ wie Arianes zarte, geknickte Rose oder Jans mächtiger, kranker Baum. Unter dem Titel „Gräber und Friedhöfe“ sind echte und fiktive Gräber zu sehen. Natalie zum Beispiel hat das Grab ihres Großvaters gemalt und betont im Kommentar die hinter dem Grabstein versteckte Gießkanne, die zum Ausdruck liebevoller Beziehungspflege wird. Dennis hat mit Elsa seine nicht erwiderte Liebe zur Mitschülerin auf den Friedhof gelegt und der Geliebten unbewusst das schönste Grab zugewiesen.

      Wie Liebe über den Tod hinaus aussieht, zeigt Julia: Die Uroma liegt auf ihrem Bild im Totenbett. Julia wollte sie in wertvoller Damastbettwäsche darstellen, nahm dann aber – weil sie keinen weißen Glitzerstift zur Hand hatte – ihre eigenen Lieblingsfarben und drückt so ihre Wertschätzung aus.

      Kinder wissen, intuitiv, was gut tut

      Dass Kinder die Gefühlslage Trauernder sehr gut einschätzen können und intuitiv wissen, was gut tut, beweisen die Bilder von den „trauernd Hinterbleibenden“. Ausschlaggebend für die Trauerqualität ist die Beziehung zum Verstorbenen zu Lebzeiten, und so kann auch der Schmerz über den Verlust einer Maus oder des Dackels, dem man seine Sorgen ins Fell geweint hat, unendlich sein. Wie Nähe trösten kann, zeigt Julia in ihrem Bild „Verbunden im Schmerz“, während Ina Trauernde darstellt, die in ihrem Schmerz „gemeinsam allein“ bleiben.

      Unter den gestalthaften Vorstellungen vom Tod erscheint dieser als Sensenmann mit Hightech oder als Hai, der die archaische Angst vor Zerstückelung beschreibt. Tiefe Spuren hinterlässt auch Paulinas Bild „Zerstochen im Grab“, auf dem sie selbst am ganzen Körper tödlich verwundet im Grab liegt. Liest der Betrachter den Kommentar, ist er berührt vom Leid der Kinderseele: Am Morgen hatte Paulinas Vater angekündigt, die Familie zu verlassen.

      So vielfältig wie Tod und Trauer gestalten die Kinder ihre Bilder vom „Leben nach dem Tod“: Neben glücklichen Seelen auf federleichten Wolken und der palmenbestandenen Oase eines muslimischen Kindes hängt das Werk von Sebastian, der die Ostergeschichte in einem einzigen Bild zeigt: Wie aus dem toten Baum ein lebendiger wird, so holt Gott die Verstorbenen zu sich in sein Reich, aus dem Dunkel ins Licht, vom Tod zum Leben.

      Am Ende sollte man unbedingt einen Blick auf die drei Ton-Skulpturen von Ulrike Meyer werfen. In „Tod, Kind und Teddybär“ hält ein trauriger, fast erschrockener Tod ein gerade gestorbenes Kind in den Armen; er hebt es vorsichtig-vertrauensvoll nach oben und bringt es einem, der noch viel größer ist als er selbst. „Dem Tod ist hier sein Stachel, seine endgültige Macht über den Menschen genommen“, interpretiert Dr. Ursula Silber die berührende Darstellung. Der „Tod als Begleiter“ spricht Besucherin Carmen Fleckenstein sehr an: Als Altenpflegerin erlebt sie immer wieder, wie der Tod etwas Liebevolles und Tröstliches haben kann. Wer bei so viel Zärtlichkeit noch Angst hat, kann diese vielleicht durch den gekrönten Totenschädel überwinden. Ursprünglich war er Teil eines tanzenden Königs, doch beim Brennen zerfiel der Körper zu einem Häufchen Asche; übrig blieb der Kopf mit Krone, aus der überdies ein Zacken herausgebrochen war. „Das Bild des Schreckens wird zu einem Bild der Hoffnung“, so Silber.     

      Anja Legge

      Info

      Die Ausstellung ist für Kinder, Jugendliche und Erwachsene geeignet.

      Sie ist bis 23. Februar jeweils Montag bis Freitag von 9 bis 17 Uhr im Martinushaus, Treibgasse 26, 63739 Aschaffenburg zu sehen Eintritt frei, Spenden erbeten.

      Der „Ambulante Kinder- und Jugendhospizdienst Aschaffenburg“ (Telefon 0 60 21/4 59 16 77, E-Mail „aschaffenburg@deutscher-kinderhospizverein.de“) und die Hospizgruppe Aschaffenburg (Telefon 0 60 21/ 98 00 55, E-Mail „info@hospizgruppe-aschaffen­burg.de“) bieten auf Vereinbarung Führungen an.