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      Kommentar von Wolfgang Bullin

      Tabuthema Macht?

      Es gibt heute nicht mehr viele Tabuthemen – auch in der Kirche nicht.

      Lange Zeit war die Sexualität eines davon. Es bedurfte des Schreckens und der Scham über den furchtbaren Skandal des Missbrauchs sowie des Mutes engagierter Menschen, wie ihn etwa die von „Out in Church“ gezeigt haben, um dieses Tabu aufzubrechen, zumindest damit zu beginnen. Eines der deutlichsten Signale dafür ist die von den deutschen Bischöfen verabschiedete neue Grundordnung für den kirchlichen Dienst. Zumindest ein Tabuthema scheint aber nach wie vor gepflegt zu werden, das Thema Macht. Nicht Tabu in dem Sinne, dass nicht darüber gesprochen wird. Das geschieht wohl. Denn denen, die auf Reformen und Veränderungen in der Kirche drängen, wird nicht selten vorgehalten, ihr Ziel sei in erster Linie, mehr Macht in der Kirche zu bekommen. Meist wird im gleichen Atemzug dann darauf verwiesen, dass es in der Kirche nicht um Macht gehe oder gehen dürfe, dass man in der Kirche nicht in Machtkategorien denken und handeln solle. Gerade darin besteht das Tabu: Macht und Machtausübung in der Kirche werden geleugnet. Dabei braucht die Kirche wie jede Organisation selbstverständlich Machtstrukturen – und es gibt sie auch. Die Frage ist nur, wie sie aufgebaut sind, wie sie gehandhabt und verantwortet werden. Auch da haben der Missbrauchsskandal und der Umgang damit Defizite aufgedeckt. Insofern haben Forderungen nach Reformen berechtigter Weise mit dem Thema Macht zu tun. Dabei darf es allerdings nicht allein um die Verlagerung von Macht vom Klerus zu den Laien gehen; auch die sind vor Machtmissbrauch nicht gefeit. Vielmehr sind transparente Strukturen gefragt, eine begründbare und begründete Ausübung von Macht sowie für alle zugängliche Instanzen, um Machtmissbrauch offenzulegen und abzustellen. Es geht schlichtweg darum, offener und ehrlicher als bislang mit dem Thema Macht umzugehen, es aus der ideologischen Tabuzone herauszuholen. Als weiterführende Lektüre zum Thema sei das Interview mit Prof. Herbert Haslinger auf den Seiten 4 bis 6 dieser Ausgabe empfohlen.     

      Wolfgang Bullin